Wie in den meisten Nationalbewegungen des 19. Jahrhunderts nahmen Historiker auch in der zum Habsburger Reich gehörenden Provinz Galizien eine Schlüsselrolle im Prozess der Nationswerdung ein. Die vorliegende Arbeit gewährt einen Einblick in die ruthenische Geschichtsschreibung dieser Region und trägt somit dazu bei, die facettenreiche Identitätssuche ruthenischer Intellektueller in Ãsterreich näher zu beleuchten. Im Mittelpunkt stehen in der Forschung bisher noch wenig berücksichtigte, damals jedoch maÃgebliche wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Geschichtsdarstellungen ukrainophiler sowie altruthenischer und russophiler Autoren. Im Rahmen einer Diskursanalyse wird untersucht, welche Geschichtsbilder von russophilen und ukrainophilen Autoren konstruiert und im Sinne der Nationalbewegung instrumentalisiert wurden. Ebenso wird erarbeitet, inwieweit Mythen aus der russischen und ukrainischen Historiographie übernommen und wie diese an den galizischen Kontext angepasst wurden. Dabei zeigt sich, dass die Russophilen und die Ukrainophilen zwar konträre nationale Ziele verfolgten, sie sich dennoch auf ähnliche Geschichtsbilder stützten und gemeinsam zur Identitätsfindung der ruthenischen Bevölkerung beitrugen.